Talent mit Chancen - Philippe Siffert
Wie der Vater so der Sohn. Dem 21 jährigen Sohn des unvergessenen Schweizer Grand-Prix-Piloten Jo Siffert ist ein hervorragender Start zur Schweizer Rennsaison 1992 gelungen. Sieg beim ersten Rennen mit konkurrenzfähigem Material.
Eisiger Wind peitschte um die Ohren der wenigen Zuschauer. Hockenheim zeigte sich von seiner unfreundlichsten Seite. Beim Formel Ford Team von Alois Schnellmann wurde trotzdem gefeiert, was ein gutes Zeichen ist. Der Aargauer Teamchef ist erfolgsverwöhnt. Wer in seinem Rennteam ein Cockpit ergattern kann, steht bereits auf der Sonnenseite der harten Nachwuchskategorie Formel Ford. Seit 1980 ist Schnellmann unangefochtener Meistermacher der Szene, seit 2 Jahren stellt er einen seiner perfekt vorbereiteten Van-Diemen Fahrzeuge dem Sieger der Marc Surer Nachwuchssichtung zur Verfügung.
Wie ein routinierter Fuchs hat Siffert den ersten Sieg herausgefahren. Kämpferisch und taktisch klug, wie damals sein Vater. Im ersten Training tastete er die veränderte Haftung der neu geteerten und teilweise umgebaute Strecke ab, Rang zwei hinter seinem erfahrenen Teamkollegen Norbert Zehnder. Im zweiten Training überholte er Zehnder um eine winzige Hundertstelsekunde.
Bei seinem ersten Rennen mit konkurrenzfähigem Material fuhr er Trainingsbestzeit, Philippes Nerven flatterten. Aufgeregt hüpfte er von einem Fuss auf den anderen, sein Blick geisterte bei der obligatorischen Fahrerbesprechung fahrig herum. Kein Wunder, der 21 Jährige ist im Rennsport ein Neuling. Als sein Vater 1971 bei einem nicht zur Weltmeisterschaft zählenden Formel-1 Rennen in Brands Hatch in seinem BRM tödlich verunglückte, war Philippe ganze neun Monate alt. Vaters Erfolge kennt er nur vom Hörensagen, der Rennsportvirus hat er lediglich im Blut. Kein Wunder, der 1936 geborene Siffert bestritt ab 1962 bis zu seinem tragischen Tod insgesamt 97 Formel-1 Rennen auf Lotus, Brabham, Cooper, March und BRM. Fünfmal stand er in der ersten Startreihe, zweimal wurde er als Sieger abgewunken, insgesamt sechsmal eroberte sich der grosse Kämpfer einen Platz auf dem Podest, während 122 Runden genoss er das Gefühl, an der Spitze eines Rennens zu liegen.
Mit einem betagtem und selbst vorbereitetem Formel Ford Renner ist er nach Abschluss seiner Maschinenmechaniker Lehre beim Motorenspezialist Heini Mader aus Gland in Dijon aufgetaucht. Sein 13. Rang wurde noch kaum beachtet. Beim zweiten Rennen klassierte er sich immerhin auf Rang zehn. Als bester Fahrer eines älteren Fahrzeuges durfte er einen ersten Siegerpokal für den Gewinn der Subwertung B in Empfang nehmen.
Erste Schlagzeilen lieferte der blonde mit dem breiten Lachen anlässlich der Nachwuchssichtung der Fondation Marc Surer im letzten November auf der französischen Rennstrecke Le Luc. Philippe Siffert gewann das Volant gegen 50 Konkurenten, womit er das grosse Los gezogen hat. Im besten Team der Schweiz darf er nun die komplette Formel Ford Saison 1992 bestreiten.
Mit guten Chancen, diese trotz 35 Konkurrenten sogar zu gewinnen. Einige der letztjährigen Spitzenfahrer haben die Disziplin gewechselt oder mussten wegen Geldmangels eine Rennpause einlegen. Sifferts erster diesjähriger Einsatz war trotzdem kein Spaziergang. Nach wenigen Runden tauchte sein Teamkollege Norbert Zehnder an der Spitze auf. Siffert: «An einigen Stellen war er schneller als ich. Beim Überrunden war er wohl auch ein wenig risikofreudiger. Da war es besser, dass er vor mir war. So konnte ich ihn in jeder Kurve genau beobachten und mir für die letzten Runden eine Überholtaktik überlegen.» Die Rechnung ging auf. Rechtzeitig vor dem Schlussspurt tauchte der typische rot/weiss gestreifte Helm, wie ihn damals Seppi Siffert fuhr, erneut an der Spitze auf. Der Rest war Taktik. Siffert fuhr genau so schnell wie nötig und macht sich an den entscheidenden Stellen genau so breit, dass sein Gegner nicht an ihm vorbeischlüpfen konnte. Übertriebene Euphorie will Siffert trotzdem nicht aufkommen lassen. «Ich freue mich natürlich riesig über den Sieg. Damit konnte ich den Druck lösen und zeigen, dass ich das Vertrauen der Surer-Stiftung verdiene. Jetzt hoffe ich auf eine gute Saison, dann werde wir weitersehen», kommentiert er bescheiden. Auch Stiftungs-Mitglied Ruedi Eggenberger, dessen Schützling Martin Opprecht nach einem Dreher im vorderen Mittelfeld ausfiel, war begeistert: «Der Junge ist wirklich clever gefahren. Das gefällt mir.»
Überschwänglicher zeigte sich Hans Wild: «Für die Marc Surer Stiftung konnte Siffert ein entscheidender Schritt nach vorne bedeuten.» Immerhin kann die im April 1990 gegründete Stiftung bereits achtbare Erfolge vorweisen. Der Genfer Alain Menu, erfolgreicher Formel-3- und Formel-3000-Fahrer, hat den Sprung vom mittellosen Rennsportbettler zum bezahlten Profi geschafft. Nach dem Gewinn der letztjährigen BMW Nachwuchssichtung setzte ihn BMW-Rennleiter Marc Surer zweimal in der DTM ein. Für die Saison 1993 beschaffte er ihm ein Cockpit in einem Prodrive-BMW der englischen Tourenwagen-Meisterschaft.
Der letztjährige Gewinner der Surer-Nachwuchssichtung, Johnny Hauser, schloss die Schweizer-Formel-Ford-Saison als Vorgänger von Siffert auf den dritten Schlussrang ab. 1993 wird er im neuformierten Team von Ruedi Eggenberger 19 Rennen der Formel-Opel-Lotus-Euro-Serie bestreiten. Eggenberger: «Wir haben Markus Flückiger, der letztes Jahr das Monteverdi-Team geleitet hat, als Teamchef engagiert. Der ist ein Fuchs. Ich bin sehr zuversichtlich, bei Testfahrten war Johnny bereits vielversprechend unterwegs.»
Jetzt liegt der Puck bei Philippe Siffert. Wild: «Er ist jung, er hat Talent und sein bekannter Name schadet ihm sicher nicht.»
Quelle: Auto Illustrierte 1992